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Was tun, wenn mein Kind immer wieder stolpert?

Immer wieder kommen Eltern mit ihren Kindern jeden Alters in die Praxis, weil sie tollpatschig sind, ein Fuß oder beide Füße nach innen zeigen und das Gangbild nicht so ganz rund zu sein scheint. Oft fällt es auch den Kinderärzt:innen bei den Mutter-Kind-Pass-Untersuchungen auf und dann werden sie zur Abklärung (glücklicherweise) zur Therapie geschickt.

Im unteren Teil findest du Tipps, wie du dein Kind unterstützen kannst.

 

Als Mama oder Papa siehst du natürlich nur das Problem bei den Füßen.

Ich selbst schaue zuerst, ob eine Asymmetrie vorhanden ist - also ob nur ein Bein „betroffen“ ist oder beide.

Wenn das Kind unter 3 Jahren ist und beide Beine gleich nach innen zeigen, dann beobachte ich es meist noch ein bisschen, nachdem sich die Beinachsen beim Kind erst entwickeln dürfen.

 

Kinder haben erst mit 7 Jahren (manche Quellen sagen sogar 10 Jahre) unsere Beinachsen. Vorher darf es sich einfach entwickeln.

 

Bei einer Asymmetrie sehe ich sofortigen Handlungsbedarf, da ein Fortbestehen zu erheblichen Spätfolgen im Jugendlichenalter führen kann.

Immer wieder sehe ich Jugendliche, die „über den Onkel gehen“ - wie man es auch nennt.

Die Ursache sind meist die Hüften und nicht die Füße selbst

Mein zweiter Blick geht immer zu den Hüften bzw. teste ich diese auf Bewegungseinschränkungen.

Es liegt sehr oft eine Bewegungseinschränkung vor. Meist entsteht diese aufgrund von Verspannungen und nicht, weil bei dem Gelenk selbst etwas nicht stimmt.

Diese lassen sich schnell beseitigen.

Die Rectusdiastase als Ursache für fehlende Körperspannung

Mein dritter Blick geht zum Bauch, denn oft zeigt sich bei diesen Kindern auch eine Rectusdiastase.

 

Eine Rectusdiastase beschreibt eine Abweichung/ Spaltung der Bauchmuskulatur oberhalb und/ oder unterhalb des Bauchnabels, aufgrund einer faszialen Schwäche. Es zeigt sich, meist unter Anstrengung, eine Vorwölbung oder Einbuchtung in diesem Bereich.

 

Das Loch im Bauch - was die Rectusdiastase ja eigentlich ist, ist ein Schwachpunkt und der Körper kompensiert immer drumherum.

Die schlimmste Folge ist die verspannte Rückenmuskulatur auf der anderen Seite, die dann oft die Arbeit der Bauchmuskulatur übernimmt und irgendwann überfordert ist.

Bevor ich die Bauchmuskulatur also optimal aktivieren kann, sollte im hinteren Bereich eine Entspannung stattfinden.

Meine kleinen Patient:innen haben schnelle Erfolge, wenn sie brav ihre Übungen zu Hause machen.

Was könnte der „Tollpatschigkeit“ vorausgehen?

  • Geburtstrauma
  • (unbehandelte) Hüftdysplasie
  • fehlender Hand-Mund-Fuß Kontakt in den ersten Lebensmonaten
  • Wahrnehmungsprobleme
  • zu früh passiv aufgestellt oder aufgesetzt
  • zu früh zu steife Schuhe

Wenn zu schnell in die Entwicklung eingegriffen wird, dann zeigen sich oft erhöhte Spannungszustände, weil die Muskulatur ja eigentlich noch gar nicht für die Vertikale/ Aufrichtung bereit ist.

 

Außerdem lassen diese Kinder dann oft das ausgiebige seitliche Gehen an Gegenständen aus und somit kann sich die Aufrichtungsmuskulatur am Gesäß nicht ausreichend entwickeln. Dies führt dazu, dass die Muskulatur zu schwach ist und es den Kindern schwerfällt aufrecht zu gehen.

Die Körperwahrnehmung - eine oft unterschätze Ursache für Auffälligkeiten aller Art

Kennst du die Videos, in denen Babys über die Wiese gehalten werden und schnurstracks die Füße hochziehen?

Alle lachen immer darüber, aber das ist meist ein ernstzunehmendes Problem.

  • Will dein Kind immer nur barfuß sein? oder …
  • Will dein Kind niemals die Socken ausziehen?
  • Hat dein Kind früher als Baby immer die Füße hochgehoben, damit es das Grad nicht berührt?
  • Mag es dein Kind nicht, wenn du es an den Füßen angreifst?

Wenn du das von deinem Kind kennst, dann wäre es gut, wenn du diese Überempfindlichkeit ernst nimmst und dem Ganzen mit Massage entgegenwirkst, damit ein guter Bewegungsflow möglich ist.

5 Tipps, wie du dein Kind unterstützen kannst

#1 Barfußparcour und Motorikpark

Um die Wahrnehmung und Kraft bei den Füßen zu verbessern, bietet sich Barfußgehen (und auch Barfußschuhe) an.

Die Aufrichtungsmuskulatur lässt sich am besten auf wackeligen Unterlagen trainieren und somit ist der Motorikpark das beste Übungspflaster für die Kinder.

Netze, Wackelbrücken, Kletterparcours helfen deinem Kind mehr Körperspannung aufzubauen.

#2 Schneidersitz und Reitsitz als Alternative zum W-Sitz

Dein Kind sitzt sicher gern im W-Sitz und es wäre gut, wenn du ihm oder ihr Alternativen dazu zeigst.

Ich bringe bei diesen Kindern gern die Fußfarben zum Einsatz und meist fordern das die Kinder dann auch zu Hause immer wieder ein.

Dabei wird die Beweglichkeit der Hüften verbessert, die Wahrnehmung der Füße und der Augen-Fuß-Kontakt.

#3 Auge-Mund-Fuß-Kontakt nachholen

Kann dein Kind im Sitzen die eigenen Zehen in den Mund stecken?

Wenn nicht, dann wäre es gut, dass zu üben.

 

Oft haben die Kinder in den ersten Monaten ihres Lebens sehr viel Spannung im Rücken, überstrecken sich und vermeiden die Anspannung der vorderen Muskelgruppe (Bauchmuskulatur) und somit lassen viele den Schritt des Füße-in-den-Mund-nehmen aus. Dieser ist aber sehr wichtig für ein später sicheres und sturzfreies Gangbild.

#4 Inlineskating, Reiten oder Klettern - im Sommer & Skating beim Langlaufen oder Eislaufen im Winter

Bei diesen Sportarten wird die Aufrichtungsmuskulatur sehr gut aktiviert.

Wenn dein Kind diese Sportarten ungern oder nicht besonders ausdauernd macht, dann liegt das genau an der Schwäche dieser Muskulatur.

 

„Was dein Kind am wenigsten mag, braucht es am meisten.“ - ist einer meiner Lieblingssätze in der Therapie.

#5 Die Pinguin-Übung

Die unbeliebteste, aber sicher effektivste Übung ist der Pinguin.

Wenn Kinder Schwächen im Bereich der Aufrichtung haben, dann fällt ihnen diese Übung sehr schwer.

Aber es lohnt sich, dranzubleiben.

 

Durchführung: zu Beginn am besten irgendwo anhalten

  • hinstellen wie beim Ballett - also Fersen zusammen
  • dann auch die Zehenspitzen stellen und die Fersen sollen trotzdem zusammenbleiben
  • der gesamte Körper soll aufrecht sein - vor allem das Becken (also nicht den Hintern rausstrecken 😉)

 Steigerung: immer eine Fußspitze abheben - Fersen bleiben weiterhin zusammen

 Steigerung der Steigerung: mit diesem Gang bewegen, ohne dass die Fersen sich entfernen

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